Laut #LIAA – der Investitions- und Entwicklungsagentur Lettlands, waren Holz und Holz-Produkte gemäß der Zahlen von 2018 der bedeutendste Exportsektor und machten rund 21% des gesamten Exportwerts aus. Etwa 71% der gesamten forstwirtschaftlichen Produktion werden exportiert.
Da dieser Wirtschaftsbereich, zusammen mit den Erzeugnissen aus landwirtschaftlicher Produktion, traditionell so wichtig ist für Lettland, möchten wir gerne mehr über neue Ansätze bei Forschung und Bewirtschaftung in der Holz- und Agrarindustrie wissen. Wo können diese Ansätze für die internationale Zusammenarbeit interessant sein – in der Forschung, aber auch für thematisch relevante, internationale Konferenzen, die in Lettland stattfinden.
Wir sprechen darüber mit Inese Suija-Markova, der Direktorin des Instituts für Umweltlösungen (IES) in der Region Vidzeme.
Inese, was sind die vielversprechendsten neuen Ansätze und welchen dringenden Anforderungen steht die Forst- und Agrarindustrie in Lettland derzeit gegenüber?
„Das Institut für Umweltlösungen (IES) hat die Aufgabe, innovative Lösungen für das Management lebender, natürlicher Ressourcen wie Pflanzen, Bäume, Wälder und wild lebende Tiere, sowie für die nachhaltige Nutzung von Land zu erforschen und zu entwickeln.
Es ist eine der wenigen privaten Forschungs- und Innovationseinrichtungen in Lettland, die 2008 von einem privaten Unternehmer gegründet wurde, der über langjährige Erfahrung in der Waldbewirtschaftung und im ökologischen Landbau verfügt.
Wir bilden multidisziplinäre Projekt-Teams, um maßgeschneiderte innovative Lösungen zu entwerfen und zu entwickeln. Wir setzen moderne Technologien, intensives Nachdenken und gemeinschaftliches Handeln zu diesem Zweck ein.
“Jede Interaktion zwischen Mensch und Natur verursacht komplexe Ursache-Wirkungs-Beziehungen. Ein Ereignis kann die Ursache und das Ergebnis eines anderen Ereignisses sein. Um effektive Umweltlösungen zu entwickeln, besteht die Aufgabe von IES darin, die Konsequenzen mit den richtigen Ursachen zu verknüpfen. Multidisziplinäres Denken und moderne Technologien wie Erdbeobachtung über Satelliten, Fernerkundung (remote sensing) und analytische Chemie helfen uns dabei.”
Rund 40% unserer Finanzierung wird durch Auftragsforschung für private und öffentliche Kunden wie Landwirte, Unternehmen und Regierungsorganisationen gesichert. 60% unserer Einnahmen werden durch die Teilnahme an internationalen Projekten erzielt, die aus Mitteln der Europäischen Union und anderen Finanzierungsagenturen unterstützt werden.
Das IES Team ist multinational, wir sind rund 30 Mitarbeiter und arbeiten auf dem Land in der Region Vidzeme in der Nähe von Cesis – inmitten der Natur. Die bei IES behandelten Themen sind aber keineswegs auf geografische Grenzen in Forschung und Anwendung beschränkt. Wir sind an Projekten in der gesamten Europäischen Union beteiligt, aber auch in Indien und Vietnam.
Unser Motto ist es, offen zu sein für alle neuen Möglichkeiten zu lernen, sich auszutauschen und gemeinsam mit gleichgesinnten Forschungsinstituten und anderen Organisationen Lösungen zu entwickeln. Und wir glauben auch dass dies die richtige Einstellung ist, um die Zukunft gemeinsam ressourcenschonend und nachhaltig zu gestalten.
Haben Sie einige Beispiele dafür, woran das Institut derzeit arbeitet?
Ja natürlich, hier sind ein paar wichtige Ansätze:
- Die Anwendung der Erdbeobachtungs- und Fernerkundungstechnologie, die durch unsere Partnerschaft mit der Europäischen Weltraumorganisation und dem Copernicus-Programm zur Verfügung steht. IES wendet Weltraumtechnologie an, um Entwicklungen in der Natur auf vielfältige Weise auf der ganzen Welt zu beobachten und zu überwachen.
- Ein neues und vielversprechendes Geschäftsfeld ist auch die Forschung und Entwicklung im Bereich Anbau, chemische Analyse und Fraktionierung von Heil- und Aromapflanzen. Da Lettland so dünn besiedelt ist (mit nur 1,9 Millionen Einwohnern), und über eine Fülle natürlicher Ressourcen wie Wälder, Grasland und sauberes Ackerland verfügt, gibt es große Möglichkeiten, hochwertiges Pflanzenmaterial für die weitere Verwendung in Lebensmitteln, Medizin, Kosmetik und Landwirtschaft anzubauen.
Auf diese Weise können aus den verfügbaren Rohstoffen höhere Wertschöpfungsketten geschaffen werden.
Was das bedeutet? – Derzeit exportiert Lettland mehr Rohstoffe (am unteren Ende der Wertschöpfungspyramide) und unmittelbare Produkte daraus. Eines der Hauptziele des IES besteht deswegen darin, neue Verarbeitungswege für Biomasse zu identifizieren, damit die Rohstoffe besser verwertet werden und höhere Einkommen erzielen.
Das IES befasst sich derzeit vorrangig mit dem Anbau und der Verarbeitung von medizinischen und aromatischen Kräutern mit Nischenwert – dem Sammeln von Proben, dem Analysieren chemischer Verbindungen und Bedingungen und dem Erlernen der Extraktion von Elementen für pharmazeutische, chemische und kosmetische Produktionen.
Gleiches gilt für Bäume aus den Wäldern – sie können auf die Ebene der Moleküle fraktioniert werden und somit Quellen für aromatische Öle und andere hochwertige Produkte liefern. Wir müssen die Bäume besser verstehen, um ihre volle Kapazität und Nebenprodukte nutzen zu können, die derzeit noch nicht verwertet werden.
Die Anwendungen werden zusammen mit Partnern aus dem ökologischen Landbau entwickelt, beispielsweise der Firma SIA Field and Forest, die derzeit eine neue Fabrik zur Bioraffinierung von Heil- und Aromapflanzen errichtet. Die Fabrik soll 2021 in Betrieb gehen, und IES sieht ein großes Geschäft Interesse durch die gesamte Entwicklung erzeugt.
Pflanzen und Bäume und ihre Nebenprodukte können in verschiedene physikalische Erscheinungsformen umgewandelt werden – chemische Substanzen, ätherische Öle, Extrakte, Pulver, in alle Arten von Formen und physikalischen Formen. Diese Nebenprodukte können neue Einnahmequellen für Lettland schaffen und die Türen für neue Märkte öffnen. Dadurch wird ein Übergang zu nachhaltiger Kreislaufwirtschaft geschaffen.
Altes Wissen über Pflanzen nutzen:
Andere Projekte des IES befassen sich mit dem Anbau und der Kultivierung verschwindender und geschützter Pflanzen. Das alte Wissen und die Weisheit über Pflanzen und ihre Nützlichkeit werden in Ethnobotanik-Expeditionen untersucht, um historisches und vorhandenes Wissen über die traditionelle Verwendung von MAPs (medizinische und aromatische Pflanzen) zu erwerben.
Solche Expeditionen eignen sich vorzüglich auch als Gruppenaktivität für Konferenzteilnehmer.
Inese, wie ist die Situation in Lettland in Bezug auf die zunehmende Wasserknappheit, die durch den Klimawandel verursacht wird? Wir sehen, dass Wasserknappheit und Dürre die Gesundheit von Wäldern und Pflanzen überall in Europa beeinträchtigen – wie wirkt sich das auf diese für das Land so wichtigen Rohstoffe aus?
Brunnenwasser wird seltener und auch hier in Lettland nehmen die Dürreperioden zu. Der Grundwasserspiegel sinkt, womit wir hier auf dem Land direkt konfrontiert sind, da viele Menschen ihr Trinkwasser immer noch aus eigenen Brunnen beziehen. Das Ökosystem ist sehr empfindlich und wir sind uns dieser Tatsache in unserem Umfeld sehr bewusst.
Wasser und Forschung rund um Wasserquellen und Seen betreffen einen großen Teil unserer Arbeit, und viele Projekte zielen auf alternative Lösungen ab, die weniger Wasser für die landwirtschaftliche Produktion verwenden und natürliche Wasserreserven schützen werden.
Sind Sie bereit, Ihr Wissen und Ihre Erfahrung bei der Bewahrung und behutsamen Nutzung von natürlichen Ressourcen mit interessierten Konferenzorganisatoren zu teilen?
Auf jeden Fall – wir haben viele solcher Kooperationen sowohl bei einschlägigen Konferenzen als auch für Gruppenprogramme durchgeführt, gemeinsam mit unseren Partnern aus der Tagungsbranche hier in Lettland. Wir haben auch gute Beziehungen zur Vidzeme Fachhochschule in Valmiera, wo ich meinen Abschluss gemacht und als Gastdozentin gearbeitet habe, und zur regionalen Vidzeme Planungs- und Entwicklungsorganisation.
Wir konzentrieren uns hauptsächlich auf internationale Kooperationsprojekte in der Nord- und Ostseeregion und natürlich auf Länder wie Italien, Frankreich und Deutschland, die stark an Projekten in unseren Clustern beteiligt sind und wichtige Exportpartner darstellen. Wie bereits erwähnt, nutzen wir Weltraumtechnologie für ein Forschungsprojekt in Vietnam über alternative Nass-Trocken-Bewässerungssysteme für einen nachhaltigeren Reisanbau. (Weitere Informationen über solche Projekte auf researchgate.com und anderen wissenschaftlichen Plattformen wie: https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0378377419303749)
Nochmal zurück zum Wald als eines der Hauptwirtschaftscluster bei lettischen Exporten. Was wird getan, um den Wald zu schützen und sich auf die erwähnten Herausforderungen einzustellen?
Oh, es gibt eine Vielzahl von Projekten, die sich mit diesen befassen: Erstens nutzen wir die Weltraumtechnologie z.B. zur Überwachung des Insektenbefalls, zur Bewertung der Waldbiodiversität und der Biomasse, zur Planung effizienterer forstwirtschaftlicher Aktivitäten sowie zur Überwachung des illegalen Holzschlags. Wir entwickeln eine auf Technologie basierende Methode zum Nachweis von Wildtierpopulationen, um ein besseres Gleichgewicht zwischen Tierschutz und der nötigen Verkleinerung von wachsenden Tiergruppen zu finden, die Wälder und Landwirtschaft schädigen.
Wie schon erwähnt untersuchen wir neue Technologien zur Extraktion von ätherischen Ölen und anderen Stoffen aus verschiedenen Teilen von Bäumen – mittlerweile kann die Biomasse auf das Niveau von Molekülen fraktioniert werden. Statt der Rohstoffe wie Stämme oer Brennholz können so Produkte mit höherer Wertschöpfung bei uns selbst hergestellt werden. Nebenprodukte von Holz können eine hohe Anzahl pflanzlicher *Sekundärmetaboliten (SMs) liefern und sogar essbare Aromen wie Vanillin und andere Komponenten erzeugen, die für den menschlichen Verzehr geeignet sind.
Inese, was möchten Sie mit Ihrer Arbeit für die Zukunft erreichen?
Wir sind offen für internationale Zusammenarbeit mit gleichgesinnten Organisationen und Forschungsinstituten – mit dem Ziel, sich zu vernetzen, neue Geschäftsmöglichkeiten aufzubauen, Wissen zu transferieren und die Botschaften über bessere Umweltlösungen in die Welt zu bringen.
*Pflanzen-SMs (Sekundärmetaboliten) sind gegen Schädlinge und Krankheitserreger wirksam, da sie entweder Analoga bestimmter lebenswichtiger Komponenten des zellulären Signalsystems sind oder lebenswichtige Enzyme stören und Stoffwechselwege blockieren können. Bei anderen Spezies zeigen jedoch viele der Verbindungen bestimmte nützliche biologische Aktivitäten. Tatsächlich werden pflanzliche SMs vom Menschen seit Tausenden von Jahren als Farbstoffe (z. B. Indigo, Shikonin), Aromen (z. B. Vanillin, Capsaicin), Duftstoffe (z. B. ätherische Öle von Rose, Lavendel), Stimulanzien (z. B. Koffein, Nikotin), Halluzinogene (z. B. Morphin, Tetrahydrocannabinol), Gifte (z. B. Strychnin, Coniin) und Arzneimittel (z. B. Chinin, Atropin) verwendet. Vor der Entdeckung moderner Pestizide wurden Pflanzenextrakte, die Nikotin und Pyrethrin enthielten, in der Landwirtschaft häufig als Insektizide verwendet. Es war jedoch die potenzielle Verwendung von Pflanzen-SMs in Gesundheits- und Körperpflegeprodukten sowie als Leitverbindungen für die Entwicklung neuartiger Arzneimittel, die in den letzten Jahrzehnten zu einem großen Interesse an ihrer Isolierung und Charakterisierung von wichtigen Pflanzenarten führte. Derzeit übersteigt die Gesamtzahl der identifizierten SM 100.000 (Winks 1999). Terpene (Terpenoide).
From https://secure.fera.defra.gov.uk/treechemicals/review/metabolites.cfm
Inese Suija – Markova is director of the IES – institute for Environmental Solutions and vice-mayor of the city of Cesis
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