Heini Zachariassen ist Gründer und Vorstandsmitglied bei Vivino. Mit 46 Millionen Nutzern ist Vivino die weltweit größte Wein Community und die ultimative App zum Entdecken und Kaufen von Weinen. Einen Wein auszuwählen braucht es Kenntnis – über Vivino können einfach Bewertungen gecheckt und Preise überprüft werden, einfach über ein Foto einer Flasche oder eines Menüs mit dem Smartphone.

Vivino ist die wohl bekannteste App zur Suche oder Auswahl des richtigen Weins – beim Einkauf oder im Restaurant. Die App kennen viele – aber dass der Erfinder und Inhaber Heini Zachariassen von den Färoer Inseln stammt, das dürften wohl die wenigsten wissen. Das Unternehmen mit über 150 Angestellten ist in Kalifornien angesiedelt und Heini pendelt zwischen Copenhagen und den USA – mit regelmäßigen Besuchen bei seiner Familie auf den Färoer Inseln.

Heinis Mantra für das Konzept von Vivino ist „Disrupting Wine“ – für Visit Faroe Islands Meetings ein guter Anlass, ihn um ein Gespräch zur Bedeutung von „Disruption“ für die Tagungs- und Eventbranche in diesem Jahr zu bitten – eventuell sogar um den einen oder anderen Tipp für den Umgang mit derselben von einem professionellen „Disrupter“.

Das meint Heini zum Thema “Disruption”:

Disruption im Sinn von Diskontinuität und Durcheinander-Bringen ist ein wichtiges Prinzip – aber immer im richtigen Zusammenhang. Die Ereignisse der Corona-Pandemie und deren Auswirkungen auf die Wirtschaft sind eine auf Zufall basierende, herzzerreißende „Zer“-Störung u.a. von Lebenswerken und jahrelanger Anstrengung in der Reise- und Eventbranche – das hat wirklich niemand verdient und das meine ich auch ganz bestimmt nicht, wenn ich dieses Wort gebrauche.

Dem steht die Technologie gegenüber, die althergebrachte Abläufe „stört“ und sehr häufig eine wesentlich einfachere Handhabung und insgesamt ein tolles Erlebnis und ungeahnte Lösungen für den User ermöglicht, u.a. für Reisen sowie für Veranstaltungen aller Art. Wir haben uns in dieser Zeit jetzt so schnell an den digitalen Austausch gewöhnt, und vieles wurde dadurch einfacher und unkomplizierter, was jetzt neue Weichen stellt. Aber wird das jetzt das Reisen generell beeinflussen? Das ist die Frage.

Ich finde es sehr beeindruckend, wie z. B. das Team von Visit Faroe Islands die isolierte Situation der Inseln in einen besonderen Vorteil verwandelt hat, um globales Interesse zu generieren. Das hat schon vor Corona mit dem Projekt Google Sheep View begonnen, das ich einfach sensationell finde, aber auch die virtuellen Site-Inspections jetzt während der Pandemie waren toll und kreativ gemacht. Eine bewusste Störung einer verwurzelten Sichtweise und ein gutes Beispiel dafür wie ein vermeintlich feststehender(Standort-) Nachteil in einen besonderen Vorteil verwandelt werden kann!

Ich kann anderen Destinationen nur den Tipp geben, ihre Zielgruppen in interaktive Abläufe mit einzubeziehen. Irgendwann wird die Pandemie verschwinden und Verhalten wird sich wieder einpendeln, aber auf einem anderen und neuen Niveau. Ich glaube ganz sicher, dass wir alle in Zukunft weniger reisen werden. Vor Corona ist man schon auch mal aus Höflichkeit nach z. B. London geflogen, um einen wichtigen Kunden zu treffen. Und diese ganze Aktion war im Verhältnis zum eigentlichen Treffen über Gebühr Zeit- und Ressourcen aufwändig – für beide Seiten. Flug, Tranfers, Treffen, aber dann auch noch ein Lunch und Kaffee usw. Jetzt, mit interaktiven digitalen Tools wie Zoom geht es straight-to-the-point. Man macht eine Zeit aus und spricht über das Business, ohne langes Hin und Her. Diese Art von digitalen Meetings lösen die klassische Variante ab.

Auf der anderen Seite wird man sich für die tatsächlich durchgeführten Reisen bewusster diejenigen Kirschen aus dem Kuchen picken, die wirklich wichtig für einen sind. Die verändern oder auch bereichern können. Reisen mit mehr Hintergrund.

Auch Meetings für Durchreisende in z. B. Flughafenhotels und ähnliches sind meiner Meinung nach in Zukunft überflüssig – also alle Formate, die entweder austauschbar, in irgendeiner Form standardisiert oder einfach langweilig sind, braucht es nicht mehr. Kreativität und Entwicklung von neuen Alternativen entwickelt sich exponentiell, Menschen können sich schnell anpassen und möchten es vielleicht auch, bei der ständig wachsenden Zeitknappheit. Also, ich denke dass wir alle an Reisen und Meetings in Zukunft eine höhere Messlatte anlegen werden und gute Gründe für eine physische Durchführung brauchen. Wissenstransfer und Erfahrungsaustausch gehören hier sicher zu den guten Gründen mit dazu oder auch außerordentliche Ziele oder Sehnsuchtsorte.

Wie die Färöer Inseln?

Ja, ich frage mich oft, warum sie so besonders sind und so stark auf Besucher wirken. Definitiv haben die Färöer eine umwerfende dramatische Schönheit, die man sich nicht wirklich vorstellen kann, bevor man tatsächlich hin kommt. Die Natur ist grandios, fast manchmal schon gewaltsam und dramatisch. Außerdem hat sich dort eine super Food Szene entwickelt. Naturgemäß bin ich in dieser Szene zu Hause, durch Vivino, und Restaurants wie das Koks oder sein Ableger Ræst in Torshavn, die originäres Essen der Inseln – fermentiert nach sehr alter Tradition – anbieten, sind ein riesiger Gewinn. Dort fühlt es sich für mich an wie das Essen in meiner Kindheit und für Besucher ist es ein einmaliges und qualitativ hervorragendes Erlebnis. Als ich klein war, gab es bei uns noch keine Restaurants – wir kannten dieses Essen von zu Hause. Menschen aus der ganzen Welt kommen auf die Inseln, um diese Küche aus zu auszuprobieren, viele kommen auch immer wieder. Und es trägt zu einem hochwertigen Tourismus bei. Für alle, die sich unter unserer fermentierten Küche nichts vorstellen können, hier eine kleine Geschichte: Wir, meine Frau (auch aus den Färoer Inseln) und ich, haben einen Lieblingskäse aus Frankreich der durch seinen besonders intensiven Duft hervorsticht. Irgendwann kamen wir darauf, dass dieser Käse uns so an unser heimisches Essen erinnert und wir ihn deshalb so lieben…. (Heini spricht von Epoisse aus der Bourgogne – ein Munster).

Heini, Du bist Mentor und Berater für ein neues Start-up in den Färöer Inseln, die „Faer Isles Distillery“. Erzähl mal darüber bitte.

Es ist eigentlich erstaunlich, dass da noch niemand drauf gekommen ist. Die Färöer Inseln haben ein kristallklares, kaltes und gutes Wasser, einen hohen Salzgehalt in der Luft, Wind und Meereseinfluss – die besten Konditionen um Whisky zu destillieren und zu lagern. Die Lagerung ist ja für guten Whisky ein ausschlaggebender Faktor und da haben wir wirklich alles, was es braucht. Gin wird ebenfalls produziert – man kann gespannt sein auf das Ergebnis.

Mein Rat zum Schluss – Dinge verändern sich und eine neue Normalität wird einkehren – man sollte sich mit erhobenem Kopf und der Bereitschaft zur Anpassung darauf einlassen. Es kann ja auch sehr spannend werden.

Danke Heini, das war ein sehr inspirierendes Gespräch!

Das Gespräch wurde am 4. September mit Heini geführt bei einem Aufenthalt in Kopenhagen.


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